Meinen Arbeiten liegen die Themen WAHRNEHMUNG und NATUR zugrunde, meist dargestellt mit den Möglichkeiten des künstlerischen Papierschöpfens (pulp painting).
WAHRNEHMUNG als solche ist nicht unabhängig von natürlichen Prozessen möglich. Gleichzeitig ist wahrnehmen ein Beziehungsgeschehen, begleitet von Gefühlen, Zensuren, Imaginationen und gespeist von Erfahrungen. Bei genauer Betrachtung finden wir die Strukturen des Materiellen im Gedanklichen widergespiegelt. Im Umkehrschluss gilt, dass die Wahrnehmung von der geistigen Erfahrung determiniert wird.
Die Regeln… sind die des menschlichen Geistes, auf den sich letztlich alle Strukturen zurückführen lassen. Er funktioniert hier nicht planmäßig, sondern durch Variation und Expansion. Das Gehirn ist nicht, wie uns unser westliches Denken nahelegt, eine genealogisch verzweigte Substanz; es hat keine Richtung. Das natürliche Denken operiert vielmehr aus dem ständigen Experiment mit dem Realen heraus, wechselt Richtungen und kommt zuweilen zum Ausgangspunkt zurück. Es ist azentrisch und antihierarchisch, hat weder Anfang noch Ende, jedoch immer eine Mitte, von der aus es wächst und ausufert.
(Claude Lévi-Strauss, Anthropologie structurale deux, Paris 1973 zit. nach Franz W. Kaiser, Malerei strukturalistisch)
Besonders im künstlerischen Arbeitsprozess wird die systemische Verwiesenheit von Material, Gedanken und Ausdruck (Form) erfahrbar. Diese Auseinandersetzung erzeugt die Spannung und Kraft, die wesentlich ist für den künstlerischen Werkprozess.
Das Kunstwerk, Produkt einer individuellen (oder gruppenspezifischen) Wahrnehmungs- und Umformungsarbeit, ist nach der Fertigstellung wiederum der Wahrnehmung des Betrachters unterstellt und somit frei für neue Wahrnehmungen, die nicht notwendigerweise mit denen des Künstlers übereinstimmen.
Es gibt nicht das wahre Objekt an sich, es gibt nur die Beziehung von Wahrnehmenden und Objekt. Es braucht aber auch die Bereitschaft des Betrachters, sich mit dem Werk in Beziehung zu setzen.
Der Sinn eines Werkes beruht auf der möglichen Mitarbeit des Betrachters. Wer ohne innere Bilder lebt, ohne Imagination und ohne Sensibilität, die man braucht, um im eigenen Innern Gedanken zu assoziieren, wird gar nichts sehen.
(Tàpies, Praxis der Kunst, St. Gallen 1976)
In diesem Zitat verknüpft Tàpies den äußeren Vorgang mit dem inneren Erleben, sozusagen der individuellen Wahrnehmungstätigkeit im Geistigen.
Die NATUR bietet den äußeren Bezugsrahmen für die Arbeiten.
Die Kunst muß wie die Natur entstanden sein – nicht als Imitation der Natur oder als ihre formalistische Darstellung, sondern einfach als die Wahrnehmung von Beziehungen zwischen den Menschen und der natürlichen Welt … Die Umformung der Materie, wie die Kommunikation durch die Materie – diese uralte Verbindung mit der Lebenssubstanz, der prima materia – ist der rechtmäßige Bereich jeden Künstlers.
(Lucy Lippard, Gedanken zur Entstehung weiblicher Kunst)
Diesen „rechtmäßigen Bereich“ nimmt die Kunst in Anspruch – ganz konkret, indem Naturprodukte eingearbeitet werden, aber auch in der Reflexion über Ressourcen schonende Arbeitsweisen (Papierschöpfen aus Altpapier).
In der bildenden Kunst dient Materie als Grundlage und Ausdrucksmittel. Somit ankert sie im Konkreten. In der emotionalen und gedanklichen Überformung oder Umwandlung entsteht dann das Kunstwerk.
Das eigentlich Schöne ergibt sich aus dem großen Tun heraus und aus dem Material, das an sich keinen ästhetischen Anspruch besitzt. Malerei bedeutet auch die Umwandlung von Materie in einen anderen Zustand.
(Emil Schumacher, in: Malerei 1936-1991, Ausstellungskatalog, Frankfurt 1992)